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Erschienen in der Frankenpost am 11.08.2008 

Christian Herpich,

Kreishandwerksmeister

Lehrstellensituation | Kreishandwerksmeister Christian Herpich freut sich über 250 neue Ausbildungsplätze in seinem Zuständigkeitsgebiet. Aber er warnt auch vor der anhaltenden Abwanderung junger Mens
„Für Bayern beinahe einmalig“

 
Hof – Es sind Sommerferien. Doch für manchen Schulabgänger sind diese Wochen keine Zeit der Entspannung. Wer jetzt noch keine Lehrstelle hat, muss sich ranhalten. Das Ausbildungsjahr beginnt im September. Wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung sind gute Noten – auch im Handwerk, wie Kreishandwerksmeister Christian Herpich betont. Zudem können ordentliche Umgangsformen nicht schaden.

Herr Herpich, Handwerk scheint in Bayern goldenen Boden zu haben, auch wenn sich die Konjunktur derzeit eintrübt. Heinrich Traublinger, der Präsident des Bayerischen Handwerkstages, jedenfalls ist zuversichtlich. Wie sieht es bei uns aus, in Stadt und Landkreis?

Christian Herpich: Wenn man sich die Statistik der vergangenen Jahre anschaut, muss man sagen, dass die Zahl der Beschäftigten und der Lehrlinge in Oberfranken zurück gegangen ist. Erfreulich aber ist, dass sich die Zahl der Lehrstellen im Bereich der Kreishandwerkerschaft Stadt und Landkreis Hof sowie Landkreis Wunsiedel gegenüber dem Jahr 2007 erhöht hat, um 250. Das entspricht einer Steigerung um 6,4 Prozent. Das ist in ganz Bayern ziemlich einmalig. Ein Trend, der auch in Oberfranken zu beobachten ist, auch dort ist die Zahl der Lehrstellen gestiegen, um 1241 im Vergleich zum Vorjahr. Das sind 5,2 Prozent.

Trotzdem sind nicht alle Suchenden versorgt. Weder die, die gerade die Schule beendet haben, noch die, die seit längerer Zeit auf der Suche sind. Warum?

Das hat zum einen seine Ursache darin, dass Betriebe nur beschränkt ausbilden, oder, weil es etwa Ein-Mann-Betriebe sind, gar nicht ausbilden dürfen. Ich kann nur appellieren, auszubilden, denn wir müssen den Abwanderungstrend aufhalten. Die jungen Leute, die wir heute hier in der Region ausbilden, werden unsere Kunden von morgen sein. Wer erst einmal weggeht, der kommt nur ganz selten zurück.

Aber es liegt wohl auch an den Jugendlichen? Sie selbst sind Chef von 50 Beschäftigten, bilden aus. Welche Erfahrungen machen Sie?

Das ist sehr unterschiedlich. Ich möchte das nicht über einen Kamm scheren. Es gibt Jugendliche, die haben gute Noten und wissen, worauf es ankommt. Und dann sind da auch solche, die schlechte Noten haben oder gar keinen Abschluss und deren Umgangsformen dann oftmals zu wünschen übrig lassen. Ein Mädchen, das Verkäuferin lernen will und das Gesicht voller Piercings hat, das wird es schwer haben.

Sind Noten so entscheidend?

Wissen Sie, früher gab es in Hof ja viele Arbeitsplätze in der Textilindustrie. Da konnten auch Ungelernte Arbeit finden. Aber das ist heute vorbei. Nur wer qualifiziert ist, hat eine Chance. Und wer richtig gute Noten hat, um den reißen sich die Arbeitgeber. Denn der Erfolg und die Zukunft eines Handwerksbetriebes steht und fällt mit gutem Personal.

Apropos Zukunft. Sehen Schüler im Handwerk Zukunft? Oder streben zu viele nach einem höheren Bildungsweg?

Das Handwerk wird sehr unterschiedlich wahrgenommen. Es gibt Berufe, die sehr beliebt sind. Andere sind weniger gefragt, Bäcker zum Beispiel oder Metzger. Aber es ist schon so: Jemand mit Abitur oder mit einer guten Mittleren Reife will nicht ins Handwerk.

Dabei haben sich die Berufsbilder doch gewandelt. Und bekannt müsste sein, dass man mit entsprechendem Engagement nach der Ausbildung durchaus weiterkommen kann.

Die Veränderungen werden meiner Ansicht nach noch zu wenig kommuniziert. Eine Lebensmittelfachverkäuferin muss heute nicht mehr nur hinter der Theke stehen. Wenn etwa der Betrieb einen Partyservice anbietet, kann sie bedienen, kommt raus, ist unter Menschen. Wobei die Möglichkeiten je nach Betrieb variieren, das muss man sagen. Auf der anderen Seite: Es ist durchaus bekannt, dass studieren kann, wer einen Meisterbrief vorlegt. Es gibt viele Chancen, vorwärts zu kommen. Und Erfahrung in der Praxis nachweisen zu können, das kommt immer gut an.

Wie wird sich die Situation in Zukunft gestalten?

Die Zahl der Mitglieder in den Innungen wird weiter zurückgehen. Kleinstbetriebe werden es schwer haben, nur wer innovativ und sehr serviceorientiert ist, kann überleben. Das handwerkliche Geschick aber wird von größter Bedeutung sein. Und es ist zu befürchten, dass die Zahl der Beschäftigten und der Azubis rückläufig bleiben wird. Das Gespräch führte

Ilsabe Weinfurtner

www.frankenpost/azubis

Interview

 

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