Die Reform der Stimmkreise
und die Empfehlungen des Zukunftsrates schwächen die Region. Der
CSU-Bezirksvorsitzende Karl-Theodor zu Guttenberg fordert deshalb,
dass die Staatsregierung wichtige Ziele nicht aus den Augen
verliert. Dazu gehören gleiche Lebensbedingungen in allen
Landesteilen.
Nach dem Gutachten des Zukunftsrates sollen
große Teile Oberfrankens, der gesamte nördliche Bereich, quasi
abgehängt werden und sich zum benachbarten Sachsen orientieren. Was
halten Sie als oberfränkischer CSU-Vorsitzender von diesem
Vorschlag?
Die angesprochene Passage im Gutachten ist
alles andere als glücklich formuliert, eben so unglücklich ist aber
auch manche Reaktion. Richtig ist: Bayern braucht neben kraftvollen
Zentren selbstverständlich auch starke ländliche Regionen. In
Oberfranken wurde der wirtschaftliche Strukturwandel erfolgreich
angenommen und die neue Nähe zu Thüringen, Sachsen und Tschechien
trotz veränderter Rahmenbedingungen immer als Chance verstanden.
Oberfranken ist heute die Heimat von rund 70 000 Unternehmen, fast
ausnahmslos kleine und mittelständische Betriebe.
Das heißt im Konkreten?
Rund zwanzig Jahre nach der
Wiedervereinigung und dem Ende des Eisernen Vorhangs präsentiert
sich Oberfranken als dynamische Mitte Europas, die mit Mut und
Zuversicht nach vorne denkt. Behandeln wir das Gutachten also als
das, was es ist - eine Diskussionsgrundlage, der wir selbstbewusst
begegnen sollten und nicht mit dem ewigen Gejammer, "abgehängt" zu
werden.
Wenn die bayerischen Metropolen nach diesem
Modell des Zukunftsrates noch weiter gestärkt werden, was wird dann
aus dem Verfassungsauftrag, in Bayern möglichst gleichwertige
Lebensgrundlagen zu schaffen?
Es handelt sich bei dem Gutachten weder um
einen Antrag im Bayerischen Landtag, noch eine Regierungserklärung.
Liest man den als kritisch wahrgenommenen Abschnitt
"Metropolregionen und ländlicher Raum" genauer, so lässt sich
wenigstens das Ziel erkennen, jede Region möglichst optimal nach den
jeweiligen Rahmenbedingungen zu fördern, auch wenn dies durchaus
noch stärker formuliert sein könnte. Ausdrücklich gefordert werden
dabei die angesprochenen "annähernd gleichwertigen
Lebensbedingungen". Meines Erachtens muss dies ohnehin
Grundvoraussetzung jeglicher Diskussion sein.
Hochfranken und der Raum Kronach/Coburg als
Erholungsreservat für die großen Städte empfinden die Menschen in
der Region als Schlag ins Gesicht. Wie bewerten Sie diese
Zukunftsvision?
Als eine Vorstellung, die ich nicht teilen
kann. Vielmehr bewerte ich die zentrale Lage Oberfrankens im
zusammenwachsenden Europa als Chance und Basis für eine
zukunftsfähige Entwicklung. Schließlich endet die Welt nicht
nördlich von Coburg oder östlich von Hof. Das zu vermitteln, liegt
aber auch an uns.
Ministerpräsident Horst Seehofer hat die
Mitglieder des Zukunftsrates - kein Oberfranke sitzt in diesem
Gremium - höchstselbst ausgewählt und ins Amt eingesetzt. War er bei
dieser Auswahl gut beraten?
Da er das Gremium - wie Sie sagen - "höchstselbst"
ausgewählt hat, sollten Sie ihn auch "höchstselbst" befragen.
Die Zukunft ihrer Heimat liegt den Menschen
hier sehr am Herzen, was man auch in unzähligen Kommentaren von
Leserinnen und Lesern sehen kann. Welchen Rat geben Sie den Menschen
in der Region angesichts dieses Gutachtens?
Die Menschen in Oberfranken haben aufgrund
der gegebenen Bedingungen schon immer etwas mehr leisten müssen als
andere. Aus diesem Grund wird auch kein singuläres Gutachten unser
oberfränkisches Selbstbewusstsein erschüttern.
Die Menschen machen zu Recht darauf
aufmerksam, dass unsere Region sich nicht als eine Randregion
versteht. Nicht umsonst zeichnen etliche "hidden champions" und
Weltmarktführer die oberfränkische Wirtschaft aus, die von
innovativem Unternehmergeist und leidenschaftlichem Engagement der
Bevölkerung gespeist wird. Im Zusammenspiel mit unserer
einzigartigen Landschaft im Herzen Europas, der weltoffenen Kultur
und den vielen weiteren großartigen Errungenschaften entsteht ein
Lebensraum, der seinesgleichen sucht und die Menschen zusammenhält.
Nun kurz zur Stimmkreisreform. Das
Innenministerium verweist auf die verfassungsrechtlich gebotene
Notwendigkeit, die Stimmkreise in Oberfranken angesichts der
Bevölkerungsentwicklung zu reduzieren. Wie beurteilen Sie die
Vorschläge?
Nach wie vor steht die Frage im Raum: Ist es
verfassungsmäßig wirklich geboten? Diesbezüglich bedarf es
genauester Prüfung. Sollte das Ergebnis die verfassungsrechtliche
Notwendigkeit unterstreichen, kann man wohl schwerlich von
"bewusster" Schwächung reden. Aber umso mehr kommt es dann auf jeden
einzelnen Abgeordneten an. Dass ein Mandatsverlust unsere Region
nicht stärkt, liegt auf der Hand.
Statt den Menschen das Gefühl zu geben, sie
fallen über den Rand der bayerischen Strukturpolitik, sollte doch
eher alles unternommen werden, die Region zu fördern. Welche
Möglichkeiten hat der CSU-Vorsitzende des Bezirks, hier aktiv zu
gestalten?
Ich nutze alle sich mir bietenden Möglichkeiten, im In- oder
Ausland, Oberfranken zu stärken beziehungsweise für unsere Stärken
zu werben. Aber es kann nicht nur auf Einzelne ankommen, Erfolge zu
erzielen. Anpacken müssen wir alle.
Die Fragen stellte Maximilian Busl
"
Ein Ziel, das durchaus noch stärker formuliert sein könnte "
" Nach wie vor steht die Frage im Raum: Ist es
verfassungsmäßig geboten? "
Interview
mit Karl-Theodor zu Guttenberg, CSU-Bezirksvorsitzender und
Bundesverteidigungsminister
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