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Erschienen in der Frankenpost am 04.11.2011 

Jeden Tag donnern 284 Lkw über 7,5 Tonnen durch die Ernst-Reuter-Straße. Auf diese Weise sparen sie Autobahnkilometer und Mautgebühr.Fotos: Ernst Sammer

Stadt will Brummis aussperren

 

Eine Unterhaltung unter Nachbarn geht in der Ernst-Reuter Straße nur mit Anbrüllen. Vor allem Lkw machen den Anwohnern das Leben schwer. Dagegen will die Stadt nun vorgehen.

 
 
Von Iris Reichstein

 

Hof - Von seinem Balkon aus blickt Peter Hartbauer auf einen kleinen See mit zwei Schwänen. Neben seinem Haus wächst ein Apfelbaum, die sonnenreifen Früchte hängen schwer an den Ästen. Vor Hartbauers Haus jedoch ist es vorbei mit der Idylle. Es dehnt sich die vierspurige Ernst-Reuter Straße aus - eine von Hofs Hauptverkehrsadern. Täglich donnern hier 284 Lkw über 7,5 Tonnen vorbei. Direkt vor Peter Hartbauers Küchenfenster.

"Wie die Verrückten"

Der selbstständige Messebauer ist beruflich viel unterwegs; wenn er zu Hause ist, sehnt er sich nach ein wenig Ruhe. Doch nicht einmal in den Nachtstunden sei ihm die vergönnt, sagt Hartbauer. "Nachts fahren die hier wie die Verrückten, Lkw wie Pkw. Keiner hält sich an die Geschwindigkeits-Begrenzung", schimpft er. Er steht in seiner Küche und schaut aus dem Fenster auf die Straße. "Wenn es geschlossen ist, dann ist es ruhig", sagt der Hundebesitzer. Er deutet auf den Griff des schallisolierten Fensters. "Achtung! Ich mache jetzt auf." Aus dem zentimeterbreiten Spalt rollt mit voller Wucht der Lärm der Straße in die zehn Quadratmeter große Behaglichkeit: krachende Lkw, hupende Autos, scheppernde Anhänger.

Die Hälfte der Lkw, die den Anwohnern der Ernst-Reuter Straße den Schlaf und die Nerven rauben, wollen gar nicht in die Saalestadt, stellte die Stadt Hof bei einer Verkehrszählung im Juni fest. Die Fahrer versuchen vielmehr, 35 Kilometer Autobahn und die damit zusammenhängende Lkw-Maut, die am 1. Januar 2005 eingeführt wurde, zu sparen. Auf Kosten von Menschen wie Peter Hartbauer und Ilona Paul. Die Wirtin betreibt seit 2007 die Gaststätte "Anspann" an der Ernst-Reuter-Straße. Im Mai, als wieder einmal ein Lkw an ihrem Haus vorbeigedonnert ist, hat die Erschütterung die Halterung eines Heizkörpers mitsamt den Dübeln aus der Wand gerissen. "Unsere Übernachtungsgäste sind auch genervt. Die wollen alle ein Zimmer nach hinten raus, aber so viele davon habe ich nicht", klagt Paul.

"Die tägliche Lärmbelästigung der Anwohner in der Ernst-Reuter Straße ist enorm und belastet nachgewiesenermaßen die Gesundheit", heißt es in einem Schreiben der CSU-Stadtratsfraktion. Die Stadt hat deshalb nun zum zweiten Mal nach 2006 bei der Regierung von Oberfranken einen Antrag auf die Sperrung der Ernst-Reuter-Straße für den "Mautausweichverkehr" gestellt. Der erste Antrag wurde abgelehnt, da man in Bayreuth das Verkehrsaufkommen nicht hoch genug einschätzte, um eine Sperrung zu rechtfertigen, erklärt Oberbürgermeister Dr. Harald Fichtner. Nun hofft die Stadt auf eine positive Entscheidung im zweiten Anlauf - in einigen Monaten.

Ruf nach mehr Kontrollen

Dann sollen Lkw über zwölf Tonnen die Straße nicht mehr durchfahren dürfen. "Ausgenommen sind aber jene, die Hof zum Ziel haben, weil sie hier Ware ab- oder aufladen müssen", erklärt Fichtner. Dies sei auch im Hinblick auf das Güterverkehrszentrum am Bahnhof notwendig. Der Oberbürgermeister unterstreicht die Bedeutung von Hof als Logistikstandort, betont aber, dass die Belastungen für die Anwohner in Grenzen gehalten werden müssen.

Damit sich Mautausweichler nicht doch durch die Hofer City schmuggeln, sollen die Verkehrskontrollen der Polizei verstärkt werden. "Die Polizei muss dann Stichproben vornehmen, und der kontrollierte Lkw-Fahrer muss nachweisen, dass er Hof zum Ziel hat", erklärt Fichtner. Auch Ilona Paul hat die Ordnungshüter auf die Notwendigkeit nächtlicher Verkehrskontrollen hingewiesen. Die Antwort: Die Polizei habe dafür nicht genügend Personal.

Hintergrund
Bereits 2006 hat OB Fichtner eine Verkehrszählung in der Ernst-Reuter Straße veranlasst. Damals befuhren täglich 252 Lkw über 7,5 Tonnen die Hauptverkehrsader der Stadt. Den Antrag auf eine Sperrung lehnte die Regierung von Oberfranken damals ab. Die Hofer SPD hatte einen vierstreifigen Ausbau der B 15 zwischen Hof und Rehau gefordert. Das lehnte die CSU ab. Sie befürchtete, dass die Strecke dadurch für Mautflüchtlinge attraktiver würde. Eine Maut auf der B15 kommt nicht in Frage, da der Abschnitt dafür mindestens fünf Kilometer lang sein müsste.
 

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