Überraschung im Untergrund
Während der Bauarbeiten kommt Teer in der Schotterschicht zum Vorschein. Für die Behandlung des Materials wird eine sechsstellige Summe zusätzlich fällig.
Zwischen 40 und 50 Jahren sind die Fahrbahnen alt, die in der Tat noch geteert worden sind. In den 60er-Jahren hatte Teer Hochkonjunktur, da der Stoff aus der Verkokung und Vergasung von Steinkohle stammte - und dabei reichlich Destillations-Rückstände aus der sogenannten Peche anfielen. Etwa bis Mitte der "60er" kamen kaum eine Sanierung, kaum ein Neubau von Straßen ohne Teer aus. In jene Zeit fiel auch der Bau der Hans-Böckler- und der Wunsiedler Straße in Hof.
Und deshalb war es für die Mitarbeiter im Hofer Bauamt keine Überraschung, dass Teer im gebundenen Oberbau der Straße auftauchte. Dieses Material war nach Informationen der Frankenpost schon bei anderen Straßenbau-Projekten entdeckt worden. Stichpunktartige Bohrungen bewiesen auch diesmal, dass der Oberbau teilweise verseucht war. Deshalb kalkulierte die Stadt für den Ausbau der Hans-Böckler- und Wunsiedler Straße gleich 200 000 Euro mehr ein - für die Entsorgung der teerhaltigen Oberfläche und der Altlasten. Diese Summe fand auch Eingang in den Förderantrag, der an die Regierung von Oberfranken ging.
Experten stehen vor Rätsel
Womit aber die Verwaltungsexperten nicht rechneten: Die Schicht unter dem Oberbau war ebenfalls mit Teer getränkt. Die Gründe dafür geben selbst altgedienten Bauamtsleuten Rätsel auf. Denn wie die Frankenpost auf Nachfrage erfuhr, ist dieses Verfahren mit "getränktem Teer" nach den 20er- und 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts so gut wie ausgestorben. Die Hintergründe des Teer-Funds in der Schottertragschicht sind daher nicht ganz klar, da ja die Hans-Böckler- und die Wunsiedler Straße in den 60er-Jahren entstanden sind.
Es gibt zwei mögliche Begründungen: Entweder ist diese Schicht bereits in den 30er-Jahren eingebaut worden, und die Baufirma der 60er-Jahre hat nur noch eine Schicht darüber gezogen. Oder aber die Arbeiter griffen in den 60er-Jahren aus besonderen - heute nicht mehr nachvollziehbaren - Gründen auf das längst veraltete Verfahren zurück.
Nun, 2011, hat die Stadt mit dem Altlasten-Problem zu kämpfen: Die teerhaltige Schicht kann nicht so bleiben. Das hängt mit den aktuellen Richtlinien für den Straßenbau zusammen. Für den Schwerlastverkehr - der durch den Ausbau des Güterverkehrszentrum erheblich zunehmen wird - braucht es einen bestimmten Straßenaufbau. Und für den ist Teer denkbar ungeeignet, weil veraltet und zu wenig belastbar.
In die Aufbereitungsanlage
Also kommt die Baufirma VSTR aus Rodewisch nicht umhin, den teerhaltigen Schotter abschnittsweise auszubauen. Dieses Material landet dann in einer Aufbereitungsanlage. Dort wird es mit einem mineralischen Bindemittel umhüllt. Nach dieser Spezial-Behandlung kommt es - zusammen mit dem neuen Frostschutzmaterial - als unbefestigte Frostschutzschicht in die Straße. Eine Asphaltschicht schützt diese Schicht vor Wassereintritt.
Die gravierenden Folgen auf der Kostenseite, wie berichtet: Die Aufbereitung der Teerschicht kommt auf 365 000 Euro. Die Stadt spart sich aber einen Teil neuen Frostschutz im Wert von 85 000 Euro. Somit bleiben Mehrkosten von 280 000 Euro.
Die Stadt hat das Glück, dass für dieses Projekt noch Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. Denn: Der Etat weist eine Kostenschätzung von 2,3 Millionen Euro aus. Das wirtschaftlichste Angebot von VSTR belief sich aber nur auf 1,6 Millionen Euro. Diesen "Puffer" muss die Stadt nun antasten. Ob sie will oder nicht.
Rainer Kellner (SPD) regte nun in der Stadtratssitzung an, den Bohrkern bei solchen Untersuchungen vor Straßenarbeiten künftig etwas tiefer anzusetzen. Das Bauamt stellt dazu auf Nachfrage fest, dass sich dieser Vorschlag technisch kaum umsetzen lasse. Der Grund: Zur Entnahme des Bohrkerns dient ein hohles Drehbohrgerät. Die Schotterschicht unter dem Oberbau ist jedoch unbefestigt, deshalb lässt sich hier kein Bohrkern entnehmen. Nach Angaben der Stadt ist die Untersuchung der tieferen Schicht auch nicht gängige Praxis. Und: Ein "Verdachtsfall" lag hier nicht vor.
Deshalb kam es, wie es wohl kommen musste: Der getränkte Teer im Untergrund tauchte erst während der Bauarbeiten auf.