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Erschienen in der Frankenpost am 19.04.2011 

Nahezu jedes dritte Kind in der Stadt Hof lebt in Haushalten, die am Existenzminimum leben. Das hat Jürgen Schöberlein, stellvertretender Vorsitzender des Stadtjugendrings Hof, festgestellt. Damit bestätigt sich eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2008, wonach in Hof bayernweit die Kinderarmut am ausgeprägtesten ist.

Perspektiven trotz Hartz IV

 

Die Diskussion um das Bildungs- und Teilhabe- paket erreicht den Stadtrat. Die Verantwortlichen sehen den Kampf gegen die Kinderarmut als große Herausforderung.

 
Hof - Jedes dritte Kind bis 15 Jahre lebt im Stadtgebiet von Hof in einer Familie, die ohne staatliche Hilfsleistungen nicht über die Runden kommt. Das hat Jürgen Schöberlein, stellvertretender Vorsitzender des Stadtjugendrings Hof, auf der Basis des Kreisreports zum Sozialgesetzbuch II der Bundesagentur für Arbeit vom Februar 2011 recherchiert. Er wollte wissen, wie viele Kinder von Eltern, die Arbeitslosengeld II (Hartz IV) oder Sozialgeld, Sozialhilfe, den Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen, Anspruch auf das Bildungs- und Teilhabepaket haben. Dass es so viele sind, hat ihn nicht wirklich überrascht. Schließlich wusste er, dass etwa zehn Prozent der Hofer von Hartz IV leben.

Rechtsansprüche

Laut dem vorliegenden Gesetz haben "bedürftige Kinder" nun einen Rechtsanspruch auf Mehraufwendungen für Mittagessen in Kindertagesstätten, Schule und Hort. Und mehr noch: Kinder einkommensschwacher Familien können über das Bildungspaket auch Nachhilfe-Unterricht in Anspruch nehmen, sofern die Schule den Bedarf bestätigt. Auch Mitgliedsbeiträge für den Sportverein oder die Musikschule können künftig sogenannte Bedarfsgemeinschaften für ihre im Haushalt lebenden Kinder beantragen.

Hartz-IV-Empfänger stellen ihre Anträge seit Dezember 2010 - so lange läuft die Diskussion um das Bildungs- und Teilhabepaket bereits - im Jobcenter. Wer Wohngeld oder Kinderzuschläge erhält, stellt die Anträge dafür im Fachbereich Jugend/Soziales im Rathaus. "Das geht alles erst sehr sporadisch los", berichtet Klaus Lippert, der Leiter des Fachbereichs. Bisher seien gerade mal 50 Anträge eingegangen, schätzt er.

Nur wenn es ums Mittagessen in Kindertageseinrichtungen oder offenen und gebundenen Ganztagsschulen geht, gibt es nur eine Anlaufstelle: den Fachbereich Jugend/Soziales. Auf etwa 300 beziffert Lippert die bisher eingegangenen Anträge. Angesichts der von Schöberlein ermittelten Zahlen viel zu wenig.

Gerade an den Essensgeld-Anträgen ist laut Ingeborg Poswa abzulesen, wie viele Kinder in Familien leben, in denen Geld "sehr, sehr knapp" sei. Die Hofer Vorsitzende des Kinderschutzbundes stellt fest: 63 von etwa 200 Kindern aus der Betreuung der offenen Ganztagsschule haben Essensgeld-Anträge beantragt und auch bewilligt bekommen.

Was ihr an dem neuen Bildungs- und Teilhabepaket nicht gefällt: Die Eltern müssen künftig einen Eigenanteil von einem Euro pro Tag aufbringen. Poswa: "Das summiert sich halt dort, wo ohnehin nicht viel ist."

In einer Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung hat Hof einen unrühmlichen Spitzenplatz eingenommen: als die bayerische Kommune, in der die Kinderarmut am höchsten ist. Während bayernweit die Quote nur 7,9 Prozent beträgt, beträgt diese laut der Studie in Hof 22,9 Prozent. Als Grundlage zog die Studie die Zahl der Kinder heran, die 2008 Hartz-IV-Leistungen bezogen haben.

Bettina Zschätzsch (CSU) hat in der Stadtratssitzung die Verantwortlichen aufgefordert, regelmäßig über den Stand des Bildungspakets in Hof zu berichten. "Bildung ist das einzige nachhaltige Instrument gegen Armut", sagte sie. Für Hof müsse es das Ziel sein, das Bildungspaket besser umzusetzen als andere Städte.

Bürgermeister Eberhard Siller unterstrich diese Worte. Sein Appell an die Träger der Hofer Horte: Sie sollten überlegen, eine zusätzliche Kraft auf Stundenbasis für die Hausaufgaben-Betreuung einzustellen. Dafür gebe es Zuschüsse, wenn versetzungsgefährdete Schüler profitierten.

Das Bildungs- und Teilhabepaket
Der Bundestag hat das Hartz-IV-Gesetz erst nach langen Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition Ende März in Kraft gesetzt. De facto ist es aber bereits seit Anfang Januar wirksam. Um rückwirkend Geld zu erhalten, können Familien, die Hartz IV beziehen, sowie Geringverdiener seit Anfang April für ihre Kinder Zuschüsse aus dem milliardenschweren Bildungs- und Teilhabepaket abrufen. Um für Januar bis März nicht leer auszugehen, müssen die Empfänger von Arbeitslosengeld II bis Ende April Geld einfordern. Wohngeldempfänger haben immerhin einen Monat länger Zeit.

Angesichts des bundesweit schleppenden Eingangs von Anträgen - nur zwei Prozent der Berechtigten haben bislang einen Antrag auf das Hartz-IV-Bildungspaket gestellt - will Sozialministerin Ursula von der Leyen die Frist zur Beantragung der Leistungen aus dem Bildungspaket verlängern. Sie will bei einem Runden Tisch am Gründonnerstag mit kommunalen Spitzenverbänden und Bundesländern über die Anlaufschwierigkeiten beraten.

Es geht schließlich um viel Geld: Monatlich stehen jedem der bundesweit etwa 2,5 Millionen Kinder 26 Euro für ein Mittagessen in der Schule oder in der Tagesstätte und zehn Euro für Vereinsbeiträge zu. Macht für drei Monate 108 Euro pro Kind. Zum Vergleich: Der Hartz-IV-Satz für Erwachsene stieg Anfang des Jahres gerade einmal um fünf Euro.

 

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