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Erschienen in der Frankenpost am 15.11.2010 

Bürgermeister Eberhard Siller

"Geld fällt nicht vom Himmel"

 
Als Fass ohne Boden entpuppen sich die Sozialausgaben im Hofer Haushalt. Aktuell wird der Ansatz wohl um 300 000 Euro überschritten werden. Die Frankenpost fragte Bürgermeister Eberhard Siller nach Gründen.

Herr Bürgermeister, der Haushaltsausschuss hat überplanmäßige Ausgaben von fast einer halben Million Euro in der jüngsten Sitzung abgesegnet. Ohne große Diskussion. Etwa 300 000 Euro betrafen den Sozialetat.

Was bleibt uns übrig. Es handelt sich ja um kommunale Pflichtaufgaben, zu denen wir gesetzlich verpflichtet sind. Diese zu diskutieren, wäre an anderer Stelle geboten. Ich darf vielleicht noch anmerken: Die genannten Mehrausgaben konnten fast gänzlich durch Einsparungen an anderer Stelle im Sozialetat gedeckt werden. Aber es werden wohl noch weitere 300 000 Euro nötig, um alle Sozialausgaben zu decken.

Aber wie kommt es? Es gibt so wenige Arbeitslose wie seit 29 Jahren nicht mehr, trotzdem rennen die Sozialausgaben davon.

Sie haben recht: Das passt auf den ersten Blick nicht zusammen. Aber wenn man sich das im Detail ansieht, wird es zumindest erklärbar.

Welche Erklärungen gibt es?

Insgesamt gesehen ist die schwierige Haushaltssituation der Stadt von zwei Dingen geprägt: Die Gewerbesteuer, die Haupteinnahmequelle, ist praktisch seit über mehr als 20 Jahren, von geringen Schwankungen kurz nach der Grenzöffnung einmal abgesehen, unverändert geblieben. 1986 spülte uns die Steuer umgerechnet etwa 10,6 Millionen Euro in die Kasse, in diesem Jahr, 2010, wird nicht wesentlich mehr reinkommen. Gleichzeitig ist der städtische Anteil an Ausgaben für die Jugend- und Sozialhilfe sowie für Hartz-IV-Leistungen für Unterkunft und Heizung drastisch gestiegen.

Womit aber die Eingangsfrage nicht geklärt ist: Warum gibt es trotz Erfolgsmeldungen vom Arbeitsmarkt höhere Sozialausgaben?

So erfreulich es einerseits ist, dass die Zahl der Arbeitslosen und auch die der Langzeitarbeitslosen weiter sinkt, so ist andererseits damit ein Anstieg der Kinderbetreuungskosten verknüpft. Die Stadt trägt - anteilig mit dem Staat, den Trägern der Einrichtungen und den Eltern - die Kosten für Krippe, Kindertagesstätte oder Hort. Und weil die Arge darauf drückt, dass Hartz-IV-Bezieher mit kleinen Kindern Arbeitsangebote oder Qualifizierungs-Maßnahmen wahrnehmen, müssen diese Kinder betreut werden. Die Elternbeiträge muss in diesen Fällen die Stadt übernehmen.

Wie drückt sich das in Zahlen aus?

Im Jahr 2008 fielen hier Kosten von 430 000 Euro an, in diesem Jahr sind es 125 000 Euro mehr.

Wie viel gibt die Stadt eigentlich insgesamt für die Betreuung von Kindern in Krippen, Kindergarten, Horten und bei Tagesmüttern aus?

Neben den genannten Kosten für Kinder von Hartz-IV-Empfängern sind die Kosten für den städtischen Anteil an der Kinderbetreuung zwar von 2007 mit 4,5 Millionen Euro bis 2010 mit 5,7 Millionen Euro unterm Strich um fast 25 Prozent angestiegen . . .

. . . aber . . . ?

. . . aber diese Zahlen unterstreichen auch die Behauptung: Die Stadt Hof ist trotz der schwierigen Haushaltssituation kinder- und jugendfreundlich. Neben den gesetzlich vorgeschriebenen Kindergartenplätzen haben wir das Soll an Krippenplätzen längst erfüllt.

Wie schaut es im Bereich Jugendhilfe aus?

Die Zahl der Pflegekinder, die dauerhaft in fremden Familien oder in Heimen untergebracht sind, ist gestiegen.

Warum?

Nun, das ist sicher auch eine Folge der spektakulären Fälle von Kindsmissbrauch und Kindstötung, die in den Jahren 2008 und 2009 durch die Medien gegangen sind. Die Menschen sind wachsamer geworden, nicht nur Nachbarn, auch Schulen oder Vereine melden heute den Mitarbeitern im Jugendamt, wenn sie meinen, in einer Familie stimmt etwas nicht. Es häufen sich dann tatsächlich auch die Fälle, in denen klar ist, dass ein Kind aufgrund der zerrütteten Familienverhältnisse in Obhut genommen werden muss und zusätzliche pädagogische Betreuung notwendig ist.

Gibt es konkrete Zahlen?

2010 werden es 45 Kinder sein, die dauerhaft bei Pflegefamilien waren.

Und wenn Sie nur einmal die Kosten betrachten?

Im Jahr 2007 hat die Stadt hier etwa 230 000 Euro gebraucht, in diesem Jahr werden es 420 000 Euro werden.

Das ist eine in jeder Hinsicht traurige Entwicklung . . .

Wobei eine Familienpflege mit 700 bis 900 Euro pro Monat wesentlich günstiger kommt als eine Heimunterbringung, die bis zu viermal teurer ist. Glauben Sie mir, es macht mir wirklich auch Kummer, wenn ich in meiner täglichen Praxis am Gericht sehen muss, dass selbst junge Volljährige zwischen 18 und 21 Jahre nach Verbüßung einer Haftstrafe in einem Heim untergebracht werden müssen, weil sie ohne Hilfe draußen nicht mehr zurechtkommen. Eine Heimunterbringung von jungen Erwachsenen ist teuer, bis zu 50 000 Euro jährlich. 2010 hatten wir sechs Fälle, das sind dann Kosten von 230 000 Euro.

Wobei diese Zahl sicher von Jahr zu Jahr schwanken wird, oder?

Das ist schon richtig. Trotzdem ist festzustellen, dass auch die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die in Heimen untergebracht sind, wächst. 2007 haben wir hierfür noch Ausgaben von etwa 1,3 Millionen Euro verbucht, 2010 werden es in 42 Fällen fast zwei Millionen Euro sein.

Woran liegt das?

Ich will jetzt nicht gesellschaftliche Ursachen beleuchten. Ich betrachte, was ist. Und da macht es mich auch betroffen, dass immer mehr junge Menschen verhaltensauffällig sind. Diese Mädchen und Jungen brauchen Hilfe von Psychologen, Heilpädagogen und Logopäden. Das sind Kinder, die sind vormittags in der Regelschule und nachmittags in der Heilpädagogischen Tagesstätte. 2000 Euro kostet das pro Monat und Kind, zurzeit sind das etwa 25 Kinder. Die haben diese Hilfe nötig, damit sie hoffentlich so stabilisiert werden, dass eine Fremdunterbringung nicht nötig wird.

Das sind allerdings erhebliche Kosten.

Betrachte ich nur die Kostenseite, so stelle ich fest, dass 2008 dafür 230 000 Euro reichten, 2010 werden dafür 400 000 Euro benötigt werden.

Herr Bürgermeister, Sozialaufgaben sind gesetzliche Pflichtaufgaben der Kommune. Dazu zählen auch Leistungen für Unterbringung und Heizung. Betroffene fühlen sich hierbei von Mitarbeitern des Sozialamts ziemlich gegängelt.

Das Geld fällt nicht vom Himmel. Es gibt eine klare Anweisung, genau zu prüfen, ob Maßnahmen wirklich nötig sind, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für Hilfe auch gegeben sind. Mir sind schon etliche Beschwerdebriefe von Betroffenen zugegangen, die meinten, Mitarbeiter hätten sich zu restriktiv verhalten. In keinem einzigen Fall hat das jedoch zugetroffen. Das Gespräch führte

Thomas Schuberth-Roth

Interview
 

mit Bürgermeister Eberhard Siller, verantwortlich für Jugend, Soziales und Schulen im Hofer Rathaus

Auch die Kosten für Kinderbetreuung, die die Stadt tragen muss, schnellen in die Höhe

 

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