Als Fass ohne Boden
entpuppen sich die Sozialausgaben im Hofer Haushalt. Aktuell wird
der Ansatz wohl um 300 000 Euro überschritten werden. Die
Frankenpost
fragte Bürgermeister Eberhard Siller nach Gründen.
Herr Bürgermeister, der Haushaltsausschuss
hat überplanmäßige Ausgaben von fast einer halben Million Euro in
der jüngsten Sitzung abgesegnet. Ohne große Diskussion. Etwa 300 000
Euro betrafen den Sozialetat.
Was bleibt uns übrig. Es handelt sich ja um kommunale
Pflichtaufgaben, zu denen wir gesetzlich verpflichtet sind. Diese zu
diskutieren, wäre an anderer Stelle geboten. Ich darf vielleicht
noch anmerken: Die genannten Mehrausgaben konnten fast gänzlich
durch Einsparungen an anderer Stelle im Sozialetat gedeckt werden.
Aber es werden wohl noch weitere 300 000 Euro nötig, um alle
Sozialausgaben zu decken.
Aber wie kommt es? Es gibt so wenige
Arbeitslose wie seit 29 Jahren nicht mehr, trotzdem rennen die
Sozialausgaben davon.
Sie haben recht: Das passt auf den ersten Blick nicht zusammen.
Aber wenn man sich das im Detail ansieht, wird es zumindest
erklärbar.
Welche Erklärungen gibt es?
Insgesamt gesehen ist die schwierige Haushaltssituation der Stadt
von zwei Dingen geprägt: Die Gewerbesteuer, die Haupteinnahmequelle,
ist praktisch seit über mehr als 20 Jahren, von geringen
Schwankungen kurz nach der Grenzöffnung einmal abgesehen,
unverändert geblieben. 1986 spülte uns die Steuer umgerechnet etwa
10,6 Millionen Euro in die Kasse, in diesem Jahr, 2010, wird nicht
wesentlich mehr reinkommen. Gleichzeitig ist der städtische Anteil
an Ausgaben für die Jugend- und Sozialhilfe sowie für
Hartz-IV-Leistungen für Unterkunft und Heizung drastisch gestiegen.
Womit aber die Eingangsfrage nicht geklärt
ist: Warum gibt es trotz Erfolgsmeldungen vom Arbeitsmarkt höhere
Sozialausgaben?
So erfreulich es einerseits ist, dass die Zahl der Arbeitslosen
und auch die der Langzeitarbeitslosen weiter sinkt, so ist
andererseits damit ein Anstieg der Kinderbetreuungskosten verknüpft.
Die Stadt trägt - anteilig mit dem Staat, den Trägern der
Einrichtungen und den Eltern - die Kosten für Krippe,
Kindertagesstätte oder Hort. Und weil die Arge darauf drückt, dass
Hartz-IV-Bezieher mit kleinen Kindern Arbeitsangebote oder
Qualifizierungs-Maßnahmen wahrnehmen, müssen diese Kinder betreut
werden. Die Elternbeiträge muss in diesen Fällen die Stadt
übernehmen.
Wie drückt sich das in Zahlen aus?
Im Jahr 2008 fielen hier Kosten von 430 000
Euro an, in diesem Jahr sind es 125 000 Euro mehr.
Wie viel gibt die Stadt eigentlich insgesamt
für die Betreuung von Kindern in Krippen, Kindergarten, Horten und
bei Tagesmüttern aus?
Neben den genannten Kosten für Kinder von Hartz-IV-Empfängern
sind die Kosten für den städtischen Anteil an der Kinderbetreuung
zwar von 2007 mit 4,5 Millionen Euro bis 2010 mit 5,7 Millionen Euro
unterm Strich um fast 25 Prozent angestiegen . . .
. . . aber . . . ?
. . . aber diese Zahlen unterstreichen auch die Behauptung: Die
Stadt Hof ist trotz der schwierigen Haushaltssituation kinder- und
jugendfreundlich. Neben den gesetzlich vorgeschriebenen
Kindergartenplätzen haben wir das Soll an Krippenplätzen längst
erfüllt.
Wie schaut es im Bereich Jugendhilfe aus?
Die Zahl der Pflegekinder, die dauerhaft in fremden Familien oder
in Heimen untergebracht sind, ist gestiegen.
Warum?
Nun, das ist sicher auch eine Folge der spektakulären Fälle von
Kindsmissbrauch und Kindstötung, die in den Jahren 2008 und 2009
durch die Medien gegangen sind. Die Menschen sind wachsamer
geworden, nicht nur Nachbarn, auch Schulen oder Vereine melden heute
den Mitarbeitern im Jugendamt, wenn sie meinen, in einer Familie
stimmt etwas nicht. Es häufen sich dann tatsächlich auch die Fälle,
in denen klar ist, dass ein Kind aufgrund der zerrütteten
Familienverhältnisse in Obhut genommen werden muss und zusätzliche
pädagogische Betreuung notwendig ist.
Gibt es konkrete Zahlen?
2010 werden es 45 Kinder sein, die dauerhaft bei Pflegefamilien
waren.
Und wenn Sie nur einmal die Kosten
betrachten?
Im Jahr 2007 hat die Stadt hier etwa 230 000 Euro gebraucht, in
diesem Jahr werden es 420 000 Euro werden.
Das ist eine in jeder Hinsicht traurige
Entwicklung . . .
Wobei eine Familienpflege mit 700 bis 900 Euro pro Monat
wesentlich günstiger kommt als eine Heimunterbringung, die bis zu
viermal teurer ist. Glauben Sie mir, es macht mir wirklich auch
Kummer, wenn ich in meiner täglichen Praxis am Gericht sehen muss,
dass selbst junge Volljährige zwischen 18 und 21 Jahre nach
Verbüßung einer Haftstrafe in einem Heim untergebracht werden
müssen, weil sie ohne Hilfe draußen nicht mehr zurechtkommen. Eine
Heimunterbringung von jungen Erwachsenen ist teuer, bis zu 50 000
Euro jährlich. 2010 hatten wir sechs Fälle, das sind dann Kosten von
230 000 Euro.
Wobei diese Zahl sicher von Jahr zu Jahr
schwanken wird, oder?
Das ist schon richtig. Trotzdem ist festzustellen, dass auch die
Zahl der Kinder und Jugendlichen, die in Heimen untergebracht sind,
wächst. 2007 haben wir hierfür noch Ausgaben von etwa 1,3 Millionen
Euro verbucht, 2010 werden es in 42 Fällen fast zwei Millionen Euro
sein.
Woran liegt das?
Ich will jetzt nicht gesellschaftliche Ursachen beleuchten. Ich
betrachte, was ist. Und da macht es mich auch betroffen, dass immer
mehr junge Menschen verhaltensauffällig sind. Diese Mädchen und
Jungen brauchen Hilfe von Psychologen, Heilpädagogen und Logopäden.
Das sind Kinder, die sind vormittags in der Regelschule und
nachmittags in der Heilpädagogischen Tagesstätte. 2000 Euro kostet
das pro Monat und Kind, zurzeit sind das etwa 25 Kinder. Die haben
diese Hilfe nötig, damit sie hoffentlich so stabilisiert werden,
dass eine Fremdunterbringung nicht nötig wird.
Das sind allerdings erhebliche Kosten.
Betrachte ich nur die Kostenseite, so stelle ich fest, dass 2008
dafür 230 000 Euro reichten, 2010 werden dafür 400 000 Euro benötigt
werden.
Herr Bürgermeister, Sozialaufgaben sind
gesetzliche Pflichtaufgaben der Kommune. Dazu zählen auch Leistungen
für Unterbringung und Heizung. Betroffene fühlen sich hierbei von
Mitarbeitern des Sozialamts ziemlich gegängelt.
Das Geld fällt nicht vom Himmel. Es gibt eine klare Anweisung,
genau zu prüfen, ob Maßnahmen wirklich nötig sind, ob die
gesetzlichen Voraussetzungen für Hilfe auch gegeben sind. Mir sind
schon etliche Beschwerdebriefe von Betroffenen zugegangen, die
meinten, Mitarbeiter hätten sich zu restriktiv verhalten. In keinem
einzigen Fall hat das jedoch zugetroffen. Das
Gespräch führte
Thomas Schuberth-Roth
Interview
mit Bürgermeister Eberhard Siller, verantwortlich für Jugend,
Soziales und Schulen im Hofer Rathaus
Auch die Kosten für Kinderbetreuung, die die Stadt tragen muss,
schnellen in die Höhe |