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Erschienen in der Frankenpost am 12.11.2010 

Auch der schon traditionell im Bahnhofsviertel gefeierte jährliche Weltkindertag wird mit Geld aus dem Verfügungsfonds für das Bürgergremium unterstützt. Ob das Bürgergremium weiterhin frei über einen solchen Fonds verfügen kann, ist aktuell nicht zu beantworten. Fotos: Archiv

Vorzeigeprojekt vor dem Aus

 
Die Bundesregierung plant eine massive Kürzung der Städtebauförderung. Davon betroffen ist auch das Programm "Soziale Stadt". Im Bahnhofsviertel droht ein radikaler Kahlschlag.

Von Thomas Schuberth-Roth

Hof - Keine Projekte mehr, kein Stadtteilbüro, keine Chance auf Verstetigung des bisher Erreichten. "Die erfolgreiche Arbeit bei Integration, Bildung und Bürgerbeteiligung wird so mit einem Schlag zunichte gemacht", warnt das Bürgergremium Bahnhofsviertel. Dessen Sprecher - Ilse Rösch und Heiko-Uwe Beuerle - fürchten dramatische Einschnitte in dem Hofer Vorzeigeprojekt, sollte wahr werden, was die gelb-schwarze Regierung noch im November beschließen will.

Die Bundestagsentscheidung im fernen Berlin träfe das Hofer Bahnhofsviertel ins Mark: Hier, im größten Gründerzeitviertel in Oberfranken, sorgen seit Jahren gerade nicht-investive Maßnahmen für ausgesprochen positive Schlagzeilen. Über das Programm "Die soziale Stadt" wurden die Voraussetzungen geschaffen für die Erweiterung des schulischen Angebots durch eine vernetzte Ganztagsbetreuung. Die Sophienschule entwickelte sich dadurch zum Knotenpunkt für die Zusammenarbeit etlicher sozialer Träger. In der Folge stieg die Übertrittsquote der Schüler auf Gymnasium und Realschule. Dies, so hat auch ein Gutachten im Sommer festgestellt, sei ein aussagekräftiges Indiz für den Erfolg von Maßnahmen im schulischen und vorschulischen Bereich. Die Quote der Übertritte hat sich damit seit dem Jahr 2000/01 annähernd verdoppelt.

Wichtige soziale Projekte

Als Beispiele nennen Beuerle und Rösch das Projekt "Sprich mit mir!" für Kleinkinder von Migrantenfamilien oder die gezielte Unterstützung von Viertklässlern an der Sophienschule durch den Verfügungsfonds des Bürgergremiums. Solche Fortschritte seien auch im Hofer Rathaus positiv bewertet worden, weiß sie.

Aber: "Damit kann nun von heute auf morgen Schluss sein." Der Grund dafür: Ein Kernstück des Programms "Soziale Stadt" steht offensichtlich kurzfristig vor dem Aus.

Rösch weiß mittlerweile, was die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP Anfang Oktober von der Öffentlichkeit nahezu unbeachtet in einem Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zum Haushaltsgesetz beschlossen haben, nämlich: Zukünftig soll "das Programm Soziale Stadt auf die investiven Aufgaben konzentriert werden" und Förderprojekte "zum Erwerb der deutschen Sprache, Verbesserung von Bildungsabschlüssen, Betreuung von Jugendlichen sowie im Bereich der lokalen Ökonomie gestrichen werden". In diesen Tagen soll der Bundestag endgültig darüber entscheiden.

"Das vorgesehene Streichkonzert geht vor allem zulasten der Integration von Migranten", sagt Beuerle. "Unverständlich und kontraproduktiv" empfinden er und Rösch dies gerade angesichts der aktuellen Diskussion um die Thesen Thilo Sarrazins.

Bürgergremium auf Kippe

Gefährdet, wenn nicht gar unmöglich, werde durch die Kürzung auch das erst im Sommer beschlossene Verstetigungskonzept für das Bahnhofsviertel. Der Stufenplan sieht eine schrittweise Reduzierung der Begleitung durch das Quartiersmanagement und eine gleichzeitige Übertragung von Aufgaben auf das Bürgergremium vor. "Wir stehen hinter diesem Konzept und wollen unseren Part übernehmen", bestätigt Rösch.

Nun aber fürchten sie und Beuerle, dass das Konzept hinfällig werden könnte. Mehr noch: Sie sehen auch das Stadtteilbüro der Stadterneuerung in der Königstraße auf der Kippe. Droht bereits eine Schließung zum Jahresende?

Claus Müller, Chef der Stadterneuerung Hof, der das Bürgerbüro angegliedert ist, bestätigt die Befürchtungen des Bürgergremiums. Er sagt auf Anfrage, dass man bereits für das Jahr 2011 Fördermittel in Höhe von 200 000 Euro beantragt habe. Diese wie auch der vereinbarte Stufenplan seien bereits von der Regierung in Bayreuth positiv beschieden worden. Allerdings heißt es laut Müller in dem Schreiben der Regierung "vorbehaltlich der Zuweisung der Mittel des Bundes".

Genau dieser Passus sorgt für Ungewissheit. Das weiß Müller. "Das ist eine Hängepartie. Keiner weiß, ob oder wie es weitergeht." Völlig unbefriedigend sei die Situation vor allem für die Mitarbeiter im Bürgerbüro, ergänzt er. "Die beiden Arbeitsplätze sind in akuter Gefahr, wenn die Mittel nicht zugewiesen werden", spricht Müller Klartext. Angesichts der "unbestreitbaren Erfolge des Programms Soziale Stadt" findet er die Mittelkürzung "unverständlich".

 


 

 

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