Die hohe Quote an
Schulabbrechern beunruhigt Schulamt und Schulleiter. Die Studie
sehen sie aber als Momentaufnahme, die der aktuellen Entwicklung
nicht gerecht wird.
Von Harald Werder
Hof -
Schlechte Nachrichten aus Gütersloh: Fast jeder fünfte Schulabgänger
in der Stadt Hof hat seine Schulkarriere ohne Abschluss beendet.
Nach dieser Studie der Bertelsmann-Stiftung belegt die Stadt mit dem
Wert von 18,4 Prozent bundesweit den unrühmlichen 13. Platz. Im
Schulamt und in der Stadt sind die Zahlen bekannt, die Spurensuche
nach den Ursachen läuft. Eines steht laut Schulrätin Christa
Tschanett aber schon fest: Es muss besser werden, aber die hohe Zahl
sei trügerisch, taucht man in Details ein.
Vielzahl an Gründen
Tschanett gefallen die Zahlen nicht. Dass
alljährlich Schüler ohne den Hauptschulabschluss mit stark
begrenzten Perspektiven in ihr weiteres Leben gehen, sei ein Makel,
der niemandem gut stehe. Viele Jugendliche seien aber zu
leistungsschwach, um die Anforderungen zu erfüllen. "Es gibt auch
individuelle, persönliche Gründe, warum manche die Schule verlassen.
Manchmal liegt es auch einfach an der Einstellung", sagt die
Schulrätin. Ein wesentlicher Faktor seien auch mangelnde
Deutschkenntnisse. Wer die Sprache nicht einigermaßen beherrscht,
komme auch in Mathe nicht weit.
Tatsächlich kommt der Bertelsmann-Wert an die
Berechnungen des Schulamtes heran. Demnach haben von den 217
Jugendlichen, die die Hauptschule 2008 in Hof beendet haben, 33
keinen Abschluss. Darunter sind auch Schüler, die schon nach der
sechsten oder siebten Klasse ihre neunjährige Schulpflicht hinter
sich haben. Damit liegt die Rate bei 15,21 Prozent. Nicht
einberechnet sind die Zahlen der anderen Schularten, etwa der
Förderschulen, die erfahrungsgemäß mit noch deutlich schlechteren
Zahlen aufwarten.
Doch Tschanett hat ein "Aber" parat. Denn im
Jahrgang 2008, den die Stiftung herangezogen hat, befinden sich
sieben Schüler, die an der Hofecker Schule die Praxisklassen
besuchten. Diese schloss definitionsgemäß nicht mit dem
Hauptschulabschluss ab, sondern mit der "Berufsreife", was in den
folgenden Jahrgängen nicht mehr der Fall sei. Hätte man demnach die
Zahlen ein Jahr später erhoben, wäre ein klar besserer Wert
herausgekommen. Zöge man die sieben Schüler ab, dann läge der Wert
nicht mehr bei 15,21, sondern bei 12,38 Prozent.
Über Zahlen redet Reinhardt Kunz, der Leiter
des Sonderpädagogischen Förderzentrums (SFZ) in Hof, in diesem
Zusammenhang nicht gerne. Nicht, weil die Studie vor allem die
Förderschulen aufs Korn genommen hatte - mehr als die Hälfte der
Abbrecher stammen demnach aus ihnen -, sondern weil die starre
Fixierung auf den Hauptschulabschluss nicht die Realität
widerspiegle. "Es gibt auch andere Ziele." Kunz betont, dass es an
seiner Einrichtung primär darum gehe, besonders lernschwache oder
teilleistungsgestörte Kinder und Jugendliche so individuell zu
fördern, dass ein späteres Berufsleben überhaupt in Frage kommt.
Darauf konzentriere sich das SFZ seit einiger Zeit nahezu
ausschließlich.
Integration nicht alles
Alle anderen schwächeren Schüler werden nach
dem "Hofer Modell" in Regelschulen integriert und vom Mobilen
Sonderpädagogischen Dienst dort zusätzlich betreut. So sank die
Schülerzahl am SFZ von 400 (2003) auf aktuell 246. Mit anderen
Worten: Die Kritik läuft teilweise ins Leere, wenn der Abschluss an
der Schule - zumindest vorerst - gar nicht im Vordergrund steht.
Agnar Weber, Chef des Kompetenzzentrums für das Berufsvorbereitende
Jahr (BVJ) in Schwarzenbach an der Saale, der viele Schüler aus der
Förderschule aufnimmt, sieht dies ähnlich. Wobei er davor warnt,
leistungsschwache Schüler "auf Gedeih und Verderb in der Hauptschule
zu lassen". Man tue ihnen keinen Gefallen, so lange die
sonderpädagogische Betreuung nicht ausreichend gewährleistet sei.
Der Weg sei aber prinzipiell richtig.
Auf diesem Pfad sieht auch Christa Tschanett
die Hauptschulen. Die Umwandlung der drei Hofer Hauptschulen zu
Mittelschulen sei auch ein gutes Rezept, die Abbrecherquote zu
drücken. Denn dort hätte man mehr Möglichkeiten, schwache Schüler
intensiver zu fördern. Unter anderem könnten Kinder und Jugendliche
mit Migrationshintergrund, deren Deutsch mangelhaft ist, besser
unter die Fittiche genommen werden, was die Perspektive auf einen
späteren Abschluss klar verbessern würde. Tschanett: "Wenn wir die
neuesten Zahlen auswerten, wird sich ein anderes Bild ergeben."
Schulpflicht
Ein Schulabbrecher ist nicht zwangsläufig ein Schüler, der aus
freien Stücken hinschmeißt. Vielmehr handelt es sich im Jugendliche,
die von der Schule ohne Hauptschulabschluss abgehen, meistens weil
sie Anforderungen nicht erfüllt haben. Möglich ist das, wenn sie
ihre Schulpflicht erfüllt haben. In Bayern muss jeder Schüler
mindestens neun Jahre zur Schule gegangen sein, hinzu kommen drei
Jahre Berufsschule oder ein Berufsvorbereitungsjahr. Nach dem 21.
Lebensjahr entfällt die Pflicht.
Christa Tschanett |