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Erschienen in der Frankenpost am 15.10.2010 

Wer in der Schule scheitert, hat meist eine harte Zukunft vor sich. Die Zahl der Abbrecher ist in Hof sehr hoch. Foto: dpa

Schluss ohne Abschluss

 
Die hohe Quote an Schulabbrechern beunruhigt Schulamt und Schulleiter. Die Studie sehen sie aber als Momentaufnahme, die der aktuellen Entwicklung nicht gerecht wird.

Von Harald Werder

Hof - Schlechte Nachrichten aus Gütersloh: Fast jeder fünfte Schulabgänger in der Stadt Hof hat seine Schulkarriere ohne Abschluss beendet. Nach dieser Studie der Bertelsmann-Stiftung belegt die Stadt mit dem Wert von 18,4 Prozent bundesweit den unrühmlichen 13. Platz. Im Schulamt und in der Stadt sind die Zahlen bekannt, die Spurensuche nach den Ursachen läuft. Eines steht laut Schulrätin Christa Tschanett aber schon fest: Es muss besser werden, aber die hohe Zahl sei trügerisch, taucht man in Details ein.

Vielzahl an Gründen

Tschanett gefallen die Zahlen nicht. Dass alljährlich Schüler ohne den Hauptschulabschluss mit stark begrenzten Perspektiven in ihr weiteres Leben gehen, sei ein Makel, der niemandem gut stehe. Viele Jugendliche seien aber zu leistungsschwach, um die Anforderungen zu erfüllen. "Es gibt auch individuelle, persönliche Gründe, warum manche die Schule verlassen. Manchmal liegt es auch einfach an der Einstellung", sagt die Schulrätin. Ein wesentlicher Faktor seien auch mangelnde Deutschkenntnisse. Wer die Sprache nicht einigermaßen beherrscht, komme auch in Mathe nicht weit.

Tatsächlich kommt der Bertelsmann-Wert an die Berechnungen des Schulamtes heran. Demnach haben von den 217 Jugendlichen, die die Hauptschule 2008 in Hof beendet haben, 33 keinen Abschluss. Darunter sind auch Schüler, die schon nach der sechsten oder siebten Klasse ihre neunjährige Schulpflicht hinter sich haben. Damit liegt die Rate bei 15,21 Prozent. Nicht einberechnet sind die Zahlen der anderen Schularten, etwa der Förderschulen, die erfahrungsgemäß mit noch deutlich schlechteren Zahlen aufwarten.

Doch Tschanett hat ein "Aber" parat. Denn im Jahrgang 2008, den die Stiftung herangezogen hat, befinden sich sieben Schüler, die an der Hofecker Schule die Praxisklassen besuchten. Diese schloss definitionsgemäß nicht mit dem Hauptschulabschluss ab, sondern mit der "Berufsreife", was in den folgenden Jahrgängen nicht mehr der Fall sei. Hätte man demnach die Zahlen ein Jahr später erhoben, wäre ein klar besserer Wert herausgekommen. Zöge man die sieben Schüler ab, dann läge der Wert nicht mehr bei 15,21, sondern bei 12,38 Prozent.

Über Zahlen redet Reinhardt Kunz, der Leiter des Sonderpädagogischen Förderzentrums (SFZ) in Hof, in diesem Zusammenhang nicht gerne. Nicht, weil die Studie vor allem die Förderschulen aufs Korn genommen hatte - mehr als die Hälfte der Abbrecher stammen demnach aus ihnen -, sondern weil die starre Fixierung auf den Hauptschulabschluss nicht die Realität widerspiegle. "Es gibt auch andere Ziele." Kunz betont, dass es an seiner Einrichtung primär darum gehe, besonders lernschwache oder teilleistungsgestörte Kinder und Jugendliche so individuell zu fördern, dass ein späteres Berufsleben überhaupt in Frage kommt. Darauf konzentriere sich das SFZ seit einiger Zeit nahezu ausschließlich.

Integration nicht alles

Alle anderen schwächeren Schüler werden nach dem "Hofer Modell" in Regelschulen integriert und vom Mobilen Sonderpädagogischen Dienst dort zusätzlich betreut. So sank die Schülerzahl am SFZ von 400 (2003) auf aktuell 246. Mit anderen Worten: Die Kritik läuft teilweise ins Leere, wenn der Abschluss an der Schule - zumindest vorerst - gar nicht im Vordergrund steht. Agnar Weber, Chef des Kompetenzzentrums für das Berufsvorbereitende Jahr (BVJ) in Schwarzenbach an der Saale, der viele Schüler aus der Förderschule aufnimmt, sieht dies ähnlich. Wobei er davor warnt, leistungsschwache Schüler "auf Gedeih und Verderb in der Hauptschule zu lassen". Man tue ihnen keinen Gefallen, so lange die sonderpädagogische Betreuung nicht ausreichend gewährleistet sei. Der Weg sei aber prinzipiell richtig.

Auf diesem Pfad sieht auch Christa Tschanett die Hauptschulen. Die Umwandlung der drei Hofer Hauptschulen zu Mittelschulen sei auch ein gutes Rezept, die Abbrecherquote zu drücken. Denn dort hätte man mehr Möglichkeiten, schwache Schüler intensiver zu fördern. Unter anderem könnten Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, deren Deutsch mangelhaft ist, besser unter die Fittiche genommen werden, was die Perspektive auf einen späteren Abschluss klar verbessern würde. Tschanett: "Wenn wir die neuesten Zahlen auswerten, wird sich ein anderes Bild ergeben."

 

Schulpflicht
 

Ein Schulabbrecher ist nicht zwangsläufig ein Schüler, der aus freien Stücken hinschmeißt. Vielmehr handelt es sich im Jugendliche, die von der Schule ohne Hauptschulabschluss abgehen, meistens weil sie Anforderungen nicht erfüllt haben. Möglich ist das, wenn sie ihre Schulpflicht erfüllt haben. In Bayern muss jeder Schüler mindestens neun Jahre zur Schule gegangen sein, hinzu kommen drei Jahre Berufsschule oder ein Berufsvorbereitungsjahr. Nach dem 21. Lebensjahr entfällt die Pflicht.

Christa Tschanett

 

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