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Erschienen in der Frankenpost am 20.04.2010 

Den christlichen Friedhöfen sehr ähnlich: ein muslimisches Gräberfeld in Hamburg.

Noch im Tod in Richtung Mekka

 
Von Hannes Keltsch

Hof - Die Stadt Hof erfüllt einen seit Jahren geäußerten Wunsch der muslimischen Gemeinden. Der Stadtrat hat in seiner jüngsten Sitzung der Schaffung eines muslimischen Gräberfelds zugestimmt. Die in Hof lebenden Moslems können also verstorbene Angehörige künftig auf dem städtischen Friedhof bestatten, gemäß ihres Glaubens und ihrer Riten.

Aytunc Kilincsoy, Vorsitzender des Deutsch-türkischen Freundeskreises Hof, betont aber: Es werde nicht ein eigener muslimischer Friedhof geschaffen. Vielmehr werde das Gräberfeld der Hofer Friedhofssatzung unterliegen. In Städten wie Bamberg, Forchheim und seit einigen Wochen auch in Bayreuth gebe es solche Stätten schon.

Immer mehr jüngere Moslems, deren Familien in dritter oder vierter Generation in Deutschland leben, wünschten sich, ihre Angehörigen, auch nach dem Tode in ihrer Nähe zu haben. Dies könne übrigens durchaus zu Konflikten zwischen den Generationen führen, räumt Aytunc Kilincsoy ein: Es bedürfe zu Lebzeiten manchmal schwieriger Überzeugungsarbeit gegenüber Vater, Mutter oder Großeltern, dass diese einem Begräbnis fern der früheren Heimat zustimmen.

Für die jüngeren Moslems wiederum bedeute diese Entscheidung auch ein Bekenntnis zu Hof, ein "patriotisches Bekenntnis zur neuen Heimat Deutschland, an der sie hängen. Das ist ein Schritt in die Normalität, dass Moslems hier Fuß fassen."

Über 4000 Moslems leben etwa in Hof, das sind mehr als acht Prozent. Bisher ist es die Regel, dass Verstorbene zum Begräbnis in ihre frühere Heimat überführt werden, zum Beispiel in die Türkei oder nach Tunesien. Das kostet aber viel Geld. Es gibt auch muslimische Organisationen, finanziert über Beiträge, die sich um die Überführung kümmern.

Der Hofer Friedhof ist zunächst einmal für Hofer da. Doch auch Moslems aus dem Landkreis dürfen hier ihre letzte Ruhestätte finden: Die Angehörigen können dies beantragen. "Es gibt schon Anfragen", berichtet Aytunc Kilincsoy.

Er schildert die religiösen und traditionellen Hintergründe: Moslems glauben wie Christen an ein Leben nach dem Tod, und sie glauben an den Jüngsten Tag. Ein Toter sollte nach muslimischem Brauch so schnell wie möglich bestattet werden, und zwar in "jungfräulicher Erde", wie es im Koran heißt.

"Manchen ist das egal", räumt Kilincsoy ein. Anderen Gläubigen jedoch sei es ein großes Anliegen, den Koran auch hier zu respektieren. Kilincsoy unterstreicht aber noch einmal: Das Gräberfeld wird den Vorschriften der Hofer Friedhofssatzung und dem deutschen Bestattungsgesetz unterliegen. Daher werde auch bei muslimischen Begräbnissen die sogenannte Sargpflicht gelten.

Eigentlich, so will es der Brauch, werden Moslems ohne Sarg bestattet. Um dieser Tradition trotz der in Deutschland geltenden Sargpflicht möglichst entgegenzukommen, werden die Särge verstorbener Moslems mit Erde gefüllt. Die Gräber werden so ausgerichtet, dass die Toten mit dem Gesicht in Richtung Mekka liegen.

Die Gräber sähen ähnlich aus wie christliche Grabstätten, erklärt Kilincsoy weiter. Auch sie sind versehen mit viereckigen Steinen aus Marmor, die eine Sure aus dem Koran tragen, den Namen des Toten und den Geburts- und Todestag.

Die Gottesdienste für die Verstorbenen wird der Imam in der Moschee Theresienstraße halten. Auf dem Friedhof muss der Sarg - nach einer rituellen Waschung des Toten im Waschraum des Krematoriums - von Angehörigen auf den Schultern zum Grab getragen werden, um so dem Verstorbenen eine letzte Ehre zu erweisen.

Kilincsoy betont, dass das Gräberfeld die Hofer Steuerzahler nichts kosten wird. "Die Stadt stellt das Grundstück zur Verfügung. Alles andere übernehmen die muslimischen Gemeinden, die Osmanli-Moschee und die Alevitische Gemeinde."

Der Hofer Dekan Günter Saalfrank begrüßt das Vorhaben. Die muslimischen Mitbürger erhielten damit die Möglichkeit, ihren Angehörigen eine würdige letzte Ruhestätte zu geben, und sie bekämen einen Platz zum Trauern. "Auf einem Friedhof muss Platz für alle sein", sagt Saalfrank. Das Gräberfeld spiegele die gesellschaftliche Änderung in Hof wider: "Die Moslems sind bei uns keine Gastarbeiter mehr, sondern Mitbürger."

 

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