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Erschienen in der Frankenpost am 27.03.2010 

Vor einigen Tagen haben Arbeiter damit begonnen, den großen Fermenter aus Stahl zusammenzuschweißen - in ihm gärt die Biomasse. Fotos: Sammer

Aus Beton gegossen werden der Nachgärer und das Endlager der neuen Anlage - das Kraftwerk wird im Sommer geliefert.

Die Energie-Welt blickt aufs Regnitztal

 
Von Christoph Plass

Hof - In der kurzen aber erfolgreichen Geschichte der Bioenergie in Hof wird gerade ein neues Kapitel geschrieben: Seit einigen Tagen rollen wieder die Bagger im Bioenergiepark zwischen Hof und Zedtwitz: Nachdem vor einem halben Jahr das erste Kraftwerk der Anlage in Betrieb gegangen war, hat nun der zweite Bauabschnitt begonnen. Die zweite Anlage soll nach ihrer Fertigstellung noch mehr grünen Strom und saubere Nahwärme liefern als die erste: 800 Kilowatt Strom erzeugt das neue Kraftwerk pro Stunde. Zum Vergleich: Anlage Nummer eins schafft 716 Kilowatt.

In dieser Woche haben die Arbeiter damit begonnen, aus Stahl-Elementen den riesigen Fermenter zusammenzuschweißen - das große Rund, in dem die angelieferte Biomasse gärt und Gase abgibt. Gleichzeitig entstehen zwei Beton-Behälter: der sogenannte Nachgärer und das Endlager für die gebrauchte Silage. "Voraussichtlich im Juni oder Juli kommt der letzte Teil der Anlage", sagt Raban Woryna vom Projektentwickler "Enbion": das Blockheizkraftwerk, das die Elektrizität produziert.

Obwohl die zweite Anlage größer ist als die bereits bestehende, werden die Bauarbeiten weit weniger Zeit in Anspruch nehmen, erklärt Woryna: Das Gebäude für die Verwaltung und die technische Wartung sowie die Wärme-Trassen zum Nachbarn Viessmann Kältetechnik bestehen bereits. An Viessmann fließt nicht nur die gesamte überschüssige Wärmeenergie, die bei der Gärung entsteht, sondern auch ein Großteil der elektrischen Energie.

Der Zeitplan ist eng gestrickt, im September soll die Anlage ans Netz gehen. Die Verdoppelung der produzierten Energie bedingt dann freilich auch einen Anstieg der benötigten Mengen: "Wir haben mittlerweile etwa 20 Landwirte aus der Region unter Vertrag", sagt Raban Woryna. Wenn Anlage zwei läuft, werden etwa 25 000 Tonnen Biomasse im Jahr vergoren - je nachdem, zu welchen Teilen die Fermenter mit Gülle, Gras- und Maissilage befüllt werden.

Den Ausbau der Biomasse-Nutzung in Hof und im Allgemeinen begleitet immer auch ein Gegenargument: Warum Nahrungsmittel für den Tank anbauen statt für Teller oder Trog? "Weil in Europa noch immer Überproduktion vorherrscht", sagt Raban Woryna. Bislang werde nur ein sehr kleiner Teil der landwirtschaftlichen Produkte für die Energiegewinnung genutzt - "das halte ich für sinnvoller, als teure fossile Energie einzukaufen", kommentiert er.

Die Anlage im Regnitztal ist zudem weit mehr als nur ein grüner Stromlieferant. Einer der Projektpartner von Entwickler Enbion und dem Betreiber EE:BS ist die Verbundnetz-Gas-AG in Leipzig, einer der größten Erdgas-Lieferanten Europas. Für den Energie-Riesen ist die Hofer Anlage ein deutschlandweit einmaliges Pilotprojekt, das bei Erfolg zur Nachahmung freigegeben wird. Folglich verfolgen viele Augen aus der Republik und dem Rest der Welt, was passiert vor den Toren von Hof. Seit der Inbetriebnahme des ersten Abschnitts im vergangenen August haben unter anderem Experten aus Angola, Mosambik und China die Anlage begutachtet und bestaunt.

Überproduktion bei Landwirten

Bei all dieser Aufmerksamkeit vermisst Raban Woryna allerdings eines: die Reaktionen seiner Nachbarn. "Viele Anwohner und Firmen hatten vor dem Bau Bedenken angemeldet - doch kaum einer hat sich spä-
ter gemeldet, als er merkte, dass es so gut wie keine Belästigungen gibt." Geruchs- und Verkehrsbelästigung nämlich seien ebenso ausgeblieben wie Baum-Rodungen und Fliegenschwärme über der Stadt, sagt er.

So soll es auch nach dem zweiten Bauabschnitt genauso schnell weitergehen im Regnitztal: Mit der gesetzlich vorgeschriebenen Mindest-Verzögerung von zwölf Monaten wollen die Betreiber im nächsten Jahr Bauabschnitt drei angehen. 13 Millionen Euro sollen zum Schluss investiert sein. Und das muss, glaubt man Raban Woryna, noch lange nicht das Ende sein: "Wir nutzen den Standort Hof bewusst, um uns in der Region auch nach neuen Möglichkeiten umzusehen." Die Wege Worynas sind dabei recht unkonventionell: Er sucht beispielsweise Betriebe, die im großen Stil Kartoffelschalen loswerden müssen - um mit ihnen ein weiteres Kapitel in der Geschichte des grünen Gases in Hof zu beginnen.

 

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