Von Thomas Hanel
Hof / Marktredwitz / Weiden
- Gegen die Selber Pläne, das Factory-Outlet-Center von 6800 auf 11
800 Quadratmeter Verkaufsfläche zu erweitern, wird eine geballte
juristische Ladung in Stellung gebracht: Nach der Stadt Hof sind
auch die Städte Marktredwitz und Weiden fest entschlossen, das
Vorhaben zu Fall zu bringen. Alle drei Kommunen werden beim
Verwaltungsgericht Bayreuth Klage gegen einen Bescheid des
bayerischen Wirtschaftsministeriums vom 13. Oktober einreichen, mit
dem ein Antrag der Stadt Selb auf ein sogenanntes
Abweichungsverfahren von den Zielen des bayerischen
Landesentwicklungsprogramms genehmigt worden ist.
Das Ministerium hatte vor seiner Entscheidung
39 bayerische Kommunen im Umkreis von 60 Minuten Autofahrt
(Durchschnittstempo 80 km/h auf Autobahnen und 60 km/h auf
Landstraßen) als "möglicherweise Betroffene" angehört. Neun erhoben
Einwände gegen das Selber Vorhaben: die Oberzentren Hof, Bayreuth
und Weiden, die Stadt Marktredwitz, die Mittelzentren Tirschenreuth,
Naila und Münchberg und die Unterzentren Erbendorf und Mitterteich.
Dennoch kam das Ministerium zu dem Schluss,
dass überwiegend keine wesentliche Beeinträchtigung des
Einzelhandels in den Segmenten Bekleidung, Glas, Porzellan, Keramik,
Geschenkartikel, Hausrat, Schuhe und Lederwaren zu befürchten sei -
mit Ausnahme von Marktredwitz: Dort könnten vereinzelt Geschäfte
gefährdet sein; zwar sei "nicht zu befürchten, dass die Innenstadt
durch das Factory Outlet auszubluten droht, da Marktredwitz über
eine ausgeprägte und leistungsstarke innerstädtische
Einzelhandelsstruktur verfügt". Aber: "Eine mehr als nur
geringfügige Beeinträchtigung der Vitalität und Funktionsfähigkeit
der Innenstadt ist nicht auszuschließen."
"Alles nur Behauptungen"
Gleichwohl gab das Ministerium für das
Zielabweichungsverfahren grünes Licht: Zur Begründung führte es vor
allem das geplante Shopping-Center im benachbarten böhmischen Asch
mit einer Verkaufsfläche von 45 000 Quadratmetern an, das "eine
erhebliche Beeinträchtigung des innerstädtischen Einzelhandels in
den umliegenden bayerischen Orten erwarten lässt". Ein größeres
Selber Factory Outlet sei "geeignet, dem Projekt in Asch eine
Einzelhandelseinrichtung entgegenzusetzen, die die
Wettbewerbsfähigkeit im bayerischen Grenzraum sichern kann"; somit
sei der Sinn der Zielabweichung nach dem bayerischen
Landesentwicklungsprogramm erfüllt.
Die Oberbürgermeister von Hof, Marktredwitz
und Weiden, Dr. Harald Fichtner, Dr. Birgit Seelbinder und Kurt
Seggewiß, sehen das ganz anders. Fichtner begründete am Dienstag in
einem Pressegespräch die einstimmige, in nichtöffentlicher Sitzung
getroffene Entscheidung des 15 Stadträte starken Hofer Haupt- und
Finanzausschusses vom Vortag, Klage gegen die Selber Pläne zu
erheben. Er betonte, die Planungen von Asch seien mittlerweile
"deutlich geschrumpft"; das Wirtschaftsministerium habe in dem
Bescheid mit Behauptungen und Annahmen gearbeitet". Fichtner: "Wir
gehen nicht gegen Selb vor, sondern gegen diesen Bescheid. Das
Miteinander in Hochfranken ist davon nicht berührt. Wir nehmen nur
unsere Interessen wahr, so, wie es Selb auch tut."
Es sei zu befürchten, dass der Selber
FOC-Ausbau "unseren Bemühungen, die Innenstadt zu stärken, voll
zuwiderläuft, der Einzelhandel in der Hofer Innenstadt vor allem bei
Bekleidung und Leder erheblich geschwächt wird und Kaufkraft
abfließt. In diesem Fall werden wir nicht mehr auf Dauer die Mittel
haben, um all unsere Aufgaben zu bewältigen, und wir werden unsere
oberzentrale Rolle nicht mehr wahrnehmen können."
Fichtner wies auf das Hofer "Zentrenkonzept"
hin, das die Innenstadt vor einem Wildwuchs von Neuansiedlungen
schützt. "Dann können wir doch nicht zuschauen, wie 30 Kilometer
weiter Dinge passieren, die das konterkarieren."
Bereits einen Tag nach der Hofer
Klage-Entscheidung beschloss der Hauptausschuss von Marktredwitz in
nichtöffentlicher Sitzung mit Zwei-Drittel-Mehrheit, juristisch
gegen die Selber Planungen vorzugehen. Oberbürgermeisterin Dr.
Seelbinder erklärte am Abend, der Bescheid des
Wirtschaftsministeriums "unterschätzt völlig, in welch starkem Maße
die Vitalität gerade der Marktredwitzer Innenstadt von den
FOC-Plänen bedroht ist, und er rührt unmittelbar an unseren Rechten
auf eine intakte Stadtentwicklung".
"Schmalspur-Bescheid"
Vor allem in den Bereichen Bekleidung, Schuhe
und Leder sei mit schweren Einbußen zu rechnen bis hin zu
Schließungen. Seelbinder: "Bei Porzellan ist durch Werksverkäufe ja
genau das in unserer Innenstadt passiert", etliche teils hochwertige
Geschäfte hätten aufgeben müssen. "Die Klage gegen den Bescheid sind
wir dieser Stadt schuldig. Noch haben wir eine tolle Struktur, an
deren Verbesserung wir unentwegt arbeiten. Wir sind zutiefst
überzeugt, dass der Bescheid grundfalsch ist."
In Weiden hat kein offizielles
Stadtratsgremium die Klage beschlossen, sondern - nach intensiven
Beratungen zwar - allein Oberbürgermeister Kurt Seggewiß. Das lässt
die bayerische Gemeindeordnung zu. Seggewiß sagte am Dienstag: "Der
Bescheid des Ministeriums ist ein Schmalspur-Bescheid. Unsere
Einwände wurden nicht berücksichtigt. Wir können die drohende
Schwächung des Einzelhandels in unserer Innenstadt nicht hinnehmen." |