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Erschienen in der Frankenpost am 04.11.2009 

Billig kaufen in der früheren Heinrich-Porzellan-Fabrik: Gegen die Selber Bestrebungen, das Outlet-Center zu vergrößern, gibt es erbitterten Widerstand. Foto: Hermann Kauper

Geballte Ladung gegen Selber FOC

 
Von Thomas Hanel

Hof / Marktredwitz / Weiden - Gegen die Selber Pläne, das Factory-Outlet-Center von 6800 auf 11 800 Quadratmeter Verkaufsfläche zu erweitern, wird eine geballte juristische Ladung in Stellung gebracht: Nach der Stadt Hof sind auch die Städte Marktredwitz und Weiden fest entschlossen, das Vorhaben zu Fall zu bringen. Alle drei Kommunen werden beim Verwaltungsgericht Bayreuth Klage gegen einen Bescheid des bayerischen Wirtschaftsministeriums vom 13. Oktober einreichen, mit dem ein Antrag der Stadt Selb auf ein sogenanntes Abweichungsverfahren von den Zielen des bayerischen Landesentwicklungsprogramms genehmigt worden ist.

Das Ministerium hatte vor seiner Entscheidung 39 bayerische Kommunen im Umkreis von 60 Minuten Autofahrt (Durchschnittstempo 80 km/h auf Autobahnen und 60 km/h auf Landstraßen) als "möglicherweise Betroffene" angehört. Neun erhoben Einwände gegen das Selber Vorhaben: die Oberzentren Hof, Bayreuth und Weiden, die Stadt Marktredwitz, die Mittelzentren Tirschenreuth, Naila und Münchberg und die Unterzentren Erbendorf und Mitterteich.

Dennoch kam das Ministerium zu dem Schluss, dass überwiegend keine wesentliche Beeinträchtigung des Einzelhandels in den Segmenten Bekleidung, Glas, Porzellan, Keramik, Geschenkartikel, Hausrat, Schuhe und Lederwaren zu befürchten sei - mit Ausnahme von Marktredwitz: Dort könnten vereinzelt Geschäfte gefährdet sein; zwar sei "nicht zu befürchten, dass die Innenstadt durch das Factory Outlet auszubluten droht, da Marktredwitz über eine ausgeprägte und leistungsstarke innerstädtische Einzelhandelsstruktur verfügt". Aber: "Eine mehr als nur geringfügige Beeinträchtigung der Vitalität und Funktionsfähigkeit der Innenstadt ist nicht auszuschließen."

"Alles nur Behauptungen"

Gleichwohl gab das Ministerium für das Zielabweichungsverfahren grünes Licht: Zur Begründung führte es vor allem das geplante Shopping-Center im benachbarten böhmischen Asch mit einer Verkaufsfläche von 45 000 Quadratmetern an, das "eine erhebliche Beeinträchtigung des innerstädtischen Einzelhandels in den umliegenden bayerischen Orten erwarten lässt". Ein größeres Selber Factory Outlet sei "geeignet, dem Projekt in Asch eine Einzelhandelseinrichtung entgegenzusetzen, die die Wettbewerbsfähigkeit im bayerischen Grenzraum sichern kann"; somit sei der Sinn der Zielabweichung nach dem bayerischen Landesentwicklungsprogramm erfüllt.

Die Oberbürgermeister von Hof, Marktredwitz und Weiden, Dr. Harald Fichtner, Dr. Birgit Seelbinder und Kurt Seggewiß, sehen das ganz anders. Fichtner begründete am Dienstag in einem Pressegespräch die einstimmige, in nichtöffentlicher Sitzung getroffene Entscheidung des 15 Stadträte starken Hofer Haupt- und Finanzausschusses vom Vortag, Klage gegen die Selber Pläne zu erheben. Er betonte, die Planungen von Asch seien mittlerweile "deutlich geschrumpft"; das Wirtschaftsministerium habe in dem Bescheid mit Behauptungen und Annahmen gearbeitet". Fichtner: "Wir gehen nicht gegen Selb vor, sondern gegen diesen Bescheid. Das Miteinander in Hochfranken ist davon nicht berührt. Wir nehmen nur unsere Interessen wahr, so, wie es Selb auch tut."

Es sei zu befürchten, dass der Selber FOC-Ausbau "unseren Bemühungen, die Innenstadt zu stärken, voll zuwiderläuft, der Einzelhandel in der Hofer Innenstadt vor allem bei Bekleidung und Leder erheblich geschwächt wird und Kaufkraft abfließt. In diesem Fall werden wir nicht mehr auf Dauer die Mittel haben, um all unsere Aufgaben zu bewältigen, und wir werden unsere oberzentrale Rolle nicht mehr wahrnehmen können."

Fichtner wies auf das Hofer "Zentrenkonzept" hin, das die Innenstadt vor einem Wildwuchs von Neuansiedlungen schützt. "Dann können wir doch nicht zuschauen, wie 30 Kilometer weiter Dinge passieren, die das konterkarieren."

Bereits einen Tag nach der Hofer Klage-Entscheidung beschloss der Hauptausschuss von Marktredwitz in nichtöffentlicher Sitzung mit Zwei-Drittel-Mehrheit, juristisch gegen die Selber Planungen vorzugehen. Oberbürgermeisterin Dr. Seelbinder erklärte am Abend, der Bescheid des Wirtschaftsministeriums "unterschätzt völlig, in welch starkem Maße die Vitalität gerade der Marktredwitzer Innenstadt von den FOC-Plänen bedroht ist, und er rührt unmittelbar an unseren Rechten auf eine intakte Stadtentwicklung".

"Schmalspur-Bescheid"

Vor allem in den Bereichen Bekleidung, Schuhe und Leder sei mit schweren Einbußen zu rechnen bis hin zu Schließungen. Seelbinder: "Bei Porzellan ist durch Werksverkäufe ja genau das in unserer Innenstadt passiert", etliche teils hochwertige Geschäfte hätten aufgeben müssen. "Die Klage gegen den Bescheid sind wir dieser Stadt schuldig. Noch haben wir eine tolle Struktur, an deren Verbesserung wir unentwegt arbeiten. Wir sind zutiefst überzeugt, dass der Bescheid grundfalsch ist."

In Weiden hat kein offizielles Stadtratsgremium die Klage beschlossen, sondern - nach intensiven Beratungen zwar - allein Oberbürgermeister Kurt Seggewiß. Das lässt die bayerische Gemeindeordnung zu. Seggewiß sagte am Dienstag: "Der Bescheid des Ministeriums ist ein Schmalspur-Bescheid. Unsere Einwände wurden nicht berücksichtigt. Wir können die drohende Schwächung des Einzelhandels in unserer Innenstadt nicht hinnehmen."

 

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